Die Nachrichten über Flucht, Hunger, Krieg, Armut und immer wieder verletzte Menschenrechte haben in den letzten Jahren überall auf der Welt zugenommen. Serkan, der die Hilfsorganisation STELP gegründet hat, hat mich auf die Idee gebracht, als Volunteer nach Lesbos zu gehen. Gesagt, getan – nach ein paar Telefonaten mit Oona von STELP und der Partnerorganisation Leave No One Behind vor Ort in Lesbos sowie einem Briefing/Sicherheitsunterweisung saß ich ein paar Tage später im Flugzeug auf dem Weg nach Griechenland.
Kara Tepe – das Camp nach Moria auf Lesbos
Der Begriff FLUCHT hat erst vor Ort ein richtiges Gesicht für mich bekommen: Obwohl Lesbos mittlerweile medial sehr in den Hintergrund gerückt ist, sind die Umstände für die Geflüchteten immer noch schrecklich. Fast jeden Tag kommen neue Boote an mit Menschen, die nichts außer ihren nassen Klamotten bei sich haben, die oft während mehreren Anläufen auf der Flucht um ihr Leben bangen mussten, die teilweise wieder zurück auf internationale Gewässer gezogen und sich selbst überlassen werden, die selbst nach ihrer Ankunft oftmals monatelang im Ungewissen über ihren Verbleib sind. Ich kann mir nicht im Ansatz vorstellen, was diese Menschen durchmachen mussten.
Ein Zufluchtsort
Das Paréa Community Center, das fußläufig vom Flüchtlingslager Kara Tepe liegt und von insgesamt 12 Organisationen gegründet wurde, gilt als Zufluchtsort für Geflüchtete. Dort können sich die Menschen tagsüber aufhalten; es werden Spiele gespielt, Kräuter angepflanzt, Fahrräder repariert, Bücher gelesen – kurzum: soziale Kontakte geknüpft. Es geht aber auch um „normale“ Basics, die eben doch nicht so normal und selbstverständlich sind, wie wir oft denken: Wäsche waschen, Hygieneartikel wie Zahnbürsten und Tampons erhalten, eine warme Mahlzeit bekommen, etc.
Bereits an meinem ersten Einsatztag habe ich gemerkt, wie sinnstiftend und erfüllend die Arbeit ist. Alle Volunteers und Mitarbeitenden sind aus demselben Grund hier und ziehen an einem Strang – die Menschlichkeit steht hier absolut im Vordergrund.
Der Großteil des Paréa Centers wurde in fröhlichen Farben und Mustern bemalt.
Es soll ein unbeschwerter Ort sein und das spürt man. Im Paréa Zirkus können Kinder wieder einfach Kinder sein, direkt am Eingang steht ein Pavillon in dem musiziert wird, nebenan zeichnet jemand, weiter hinten sitzt ein Mann an einer Nähmaschine während im Haus daneben ein Tischtennis-Turnier veranstaltet wird.
Man erfährt während der Arbeit bei den unterschiedlichen Standorten diverse Einzelheiten: Während ich bei der Wäscherei immer wieder dieselben Menschen getroffen habe und durch das dadurch entstandene Vertrauensverhältnis teilweise ganz persönliche Lebensgeschichten erfahren durfte, ist mir bei der Wäscheausgabe für Neuankömmlinge aufgefallen wie unsicher viele noch sind, die hier nun inmitten eines neuen Kontinents, einer neuen Kultur, neuen Sprachen, neuen Lebensbedingungen versuchen, psychisch und physisch klarzukommen.
Als besonders wichtig habe ich auch den Women’s Space in Erinnerung, bei dem sich Frauen und Kinder sicher zurückziehen können. Wenn sie möchten und dazu bereit sind, können sie (mit Psychologen) von ihrem Erlebten berichten, sie können aber auch einfach bei einer Tasse Tee in einer sicheren Umgebung den schweren Alltag vergessen.
Auch wenn man sich aufgrund der Sprachbarriere nicht mit jeder/jedem Geflüchteten unterhalten kann, merkt man doch, wie wichtig schon alleine ein Lächeln sein kann.
Das Paréa Center ist für so viele Menschen eine wichtige Anlaufstelle.
Auch nach meinem Einsatz auf Lesbos begleitet mich diese Zeit immer noch und die Erkenntnis, dass wir miteinander unglaublich viel verändern können.
Wenn ihr Zeit und Lust habt vor Ort zu helfen, meldet euch bei STELP.
Du bist auch interessiert an einem Einsatz als Volunteer im Ausland? Mehr Informationen dazu findest du hier.