Volunteerbericht: Bosnien-Herzegowina — Elternzeit mit Horizonterweiterung

Als Familie mit deutscher Staatsbürgerschaft befinden wir uns in der privilegierten Situation, Elternzeit nehmen zu können. Wir, Samuel (33), Lisa (31), Mattheo (2) und Merle (7 Monate) wollten uns dieses gemeinsame Jahr nicht entgehen lassen und die Zeit zum Reisen nutzen. Wir wollten allerdings die verfügbare Zeit nicht nur damit verbringen, von einem Traumstrand immer zum nächsten unterwegs zu sein. Wir wollten auch versuchen, etwas für weniger privilegierte Menschen zu tun.

Volunteerbericht

Als Familie mit deutscher Staatsbürgerschaft befinden wir uns in der privilegierten Situation, Elternzeit nehmen zu können. Wir, Samuel (33), Lisa (31), Mattheo (2) und Merle (7 Monate) wollten uns dieses gemeinsame Jahr nicht entgehen lassen und die Zeit zum Reisen nutzen. Wir wollten allerdings die verfügbare Zeit nicht nur damit verbringen, von einem Traumstrand immer zum nächsten unterwegs zu sein. Wir wollten auch versuchen, etwas für weniger privilegierte Menschen zu tun. Dass die Corona-Pandemie nochmals so an Dynamik zunahm, konnten wir bei Planung und Antritt unserer Reise noch nicht absehen. In den Gesprächen mit STELP konnten wir ein Konzept entwickeln, das uns auch einen Einsatz als kleine Familie ermöglicht. Konkret sah das in den meisten Fällen so aus, dass Lisa sich um die Kinder gekümmert hat, damit Samuel vor Ort andere unterstützen konnte. Uns, wie auch STELP, war es sehr wichtig, dass in diesen besonders herausfordernden Zeiten unsere Sicherheit, und die von allen, mit denen wir Kontakt haben, an erster Stelle steht.

 

 

 

STELP stellte Mitte letzten Jahres den Kontakt zu Organisationen in Bihać her und auf unserer Reise Richtung Griechenland durften wir tolle Teams in Bosnien kennenlernen. Es war sehr beeindruckend, mit wieviel Herzblut die Leute von SOS Bihać jeden Tag versuchen, das Leben der Geflüchteten auf der Balkanroute etwas erträglicher zu machen.

“Die Lebensumstände dort sind meist katastrophal.”

Viele Menschen aus den Krisengebieten dieser Welt bleiben auf ihrem Weg über die Balkanroute an der Grenze zur EU hängen. In Bosnien warten viele auf ihre Chance in die EU zu gelangen. Dabei stoßen sie fast ausschließlich auf Ablehnung. Vor Ort sind sie unerwünscht. Von den kroatischen Grenzbeamten werden sie auf brutalste und entwürdigende Art und Weise wieder nach Bosnien geschickt. Die Lebensumstände dort sind meist katastrophal und die Menschen sind auf Hilfe von außen angewiesen. Inmitten dieses Brennpunkts versuchen Helfer*innen das Nötigste zum Überleben an die Menschen zu verteilen – oft an der Grenze der psychischen und physischen Belastung.

Besonders grausam sind die sogenannten „Push backs“. Wenn die Geflüchteten den Weg über die Grenze zur EU schaffen, haben sie eigentlich das Recht ein Asylverfahren zu bekommen. In der Realität wird dies aber nicht umgesetzt. Im Gegenteil: Die Migranten werden von der kroatischen Polizei aufgegriffen und zurück zur Grenze gebracht. Dort werden sie verprügelt und gedemütigt. Häufig müssen sie sich ausziehen, ihre Sachen verbrennen und werden dann zurück nach Bosnien geschickt. Werden diese schikanierten Menschen dann gesichtet, wird dies manchmal gemeldet und dann muss alles schnell gehen. Nach mehreren Tagen ohne Essen und Trinken, und dazu noch ohne Kleider, ist sofortige Hilfe lebensnotwendig. Manchmal finden mehrere solcher Einsätze nacheinander statt. Es bleibt kaum Zeit, das Fahrzeug für den nächsten Einsatz vorzubereiten. Hier konnten wir bei unserem Einsatz mit SOS Bihać einen kleinen Beitrag leisten. Neben der direkten Unterstützung bei solchen akuten Einsätzen haben wir geholfen, das Versorgungslager aufzuräumen und Regale aufzubauen. So kann in Zukunft hoffentlich mehr Menschen effektiver geholfen werden.

 

“Dieser Kampf um Grundnahrungsmittel ist wie aus einer anderen Welt.”

Egal, ob die Migranten auf dem Weg in die EU in und um Bihać stranden, oder ob sie von dort aus zu einem Grenzübergang aufbrechen und wieder zurückgeschickt werden, die Lebensumstände in Bihać sind erschreckend. Da es außer einem überfüllten Lager in einiger Entfernung keine offiziellen Unterkünfte gibt, hausen die Menschen in den Wäldern und Ruinen der Stadt. Sie haben eigentlich keine Möglichkeit, an Lebensmittel oder warme Kleidung zu kommen.

Die wohl bewegendste direkte Erfahrung mit dem Hunger, der an diesen Orten herrscht, hatten wir gemeinsam mit SOS Bihać bei einer seltenen Auslieferung von Lebensmitteln in eine verlassene Fabrik. Dort verstecken sich mehrere hundert junger Menschen und warten auf ihre Chance, das Land zu verlassen. Als wir mit dem vollgepackten Transporter auf das Gelände fuhren und versuchten, den Inhalt geordnet zu verteilen, wurde unser Fahrzeug regelrecht gestürmt. Dieser Kampf um ein paar Grundnahrungsmittel wie Mehl und Reis war wie aus einer anderen Welt.

Während uns in Bihać meist junge Männer begegnet sind, waren es etwas weiter nördlich an der Grenze auch viele Familien mit kleinen Kindern. Da die Verteilung von Lebensmitteln nicht gerne gesehen ist, haben wir bei einer Aktion unser Wohnmobil genutzt, um wenigstens etwas Essen und Kleidung zu diesen Familien zu bringen. Der Anblick von kleinen Kindern, denen das Nötigste fehlt, ist besonders mit eigenen Kindern schwer zu ertragen.

“So darf mit Menschen einfach nicht umgegangen werden.“

Die Eindrücke aus Bihać werden wohl für immer eine der prägendsten unserer Elternzeit bleiben. So darf mit Menschen einfach nicht umgegangen werden. Leider ist der aufopfernde Einsatz von SOS Bihać und den anderen Organisationen immer nur Nothilfe. Es fehlt eine nachhaltige Lösung, wie mit den vielen leidenden Menschen fernab ihrer Heimat umgegangen werden kann. Der Verweis auf eine fehlende politische Gesamtlösung darf uns aber nicht davon abhalten, heute etwas für diese Menschen zu tun. Ein guter Weg dazu ist die finanzielle Unterstützung, um vor Ort Lebensmittel zu besorgen. Deshalb unterstützt bitte STELP weiter kräftig, damit die Umstände in Bihać etwas menschenwürdiger werden.

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