Mohammed Baza – “Unsere Hilfe hat vielen Kindern das Leben gerettet.“

Sieben Stunden… so lange dauerte eine Reise von Sanaa, der Hauptstadt des Jemen, bis nach Frankfurt, bevor in dem Land im Süden der arabischen Halbinsel 2015 Krieg ausbrach. Mohammed Baza, Managing Director bei Cameleers Tours, Journalist und Kontaktmann für die ARD, hat diese Reise unzählige Male bestritten: Abends saß er noch mit seiner Familie am Tisch zusammen und zum Frühstück war er bereits in Deutschland.

Mohammed Baza, unser Projektleiter im Jemen, war zu Gast in Deutschland

 
 

Text: Manuel Kaier | Bilder: Markus Schwarz

Sieben Stunden… so lange dauerte eine Reise von Sanaa, der Hauptstadt des Jemen, bis nach Frankfurt, bevor in dem Land im Süden der arabischen Halbinsel 2015 Krieg ausbrach. Mohammed Baza, Managing Director bei Cameleers Tours, Journalist und Kontaktmann für die ARD, hat diese Reise unzählige Male bestritten: Abends saß er noch mit seiner Familie am Tisch zusammen und zum Frühstück war er bereits in Deutschland.

Inzwischen muss Mohammed für diese Reise drei Tage einplanen. Über zerstörte Straßen und an Checkpoints des Militärs vorbei geht es für ihn nun zunächst 14 Stunden lang von Sanaa in Richtung Aden, das im Süden des Landes liegt und früher gerade mal fünf Autostunden entfernt war. Dort befindet sich der einzige aktuell noch in Betrieb befindliche Flughafen des Landes — die einzige Möglichkeit, überhaupt aus dem abgeschotteten Land noch herauszukommen. Sowohl die Grenzen an Land als auch auf dem Wasser sind dicht. Niemand schafft es dort hinein oder heraus – weder Journalisten noch Hilfsorganisationen oder Menschen auf der Flucht. Den Luftweg bedienen nur noch zwei Airlines, und die einzige bestehende Flugstrecke verläuft von Aden nach Kairo. Da Mohammed nie genau weiß, ob und wann sein Flugzeug tatsächlich abhebt und wann er in Ägypten landet, plant er meist noch eine Nacht als Puffer in Kairo ein, bevor er am nächsten Tag dann nach Deutschland fliegt.

Dort, genauer gesagt in Stuttgart, sitzen wir Ende September mit Mohammed beim Italiener zum Abendessen zusammen —  wo er uns von seiner beschwerlichen Reise erzählt. Mohammed ist nach Deutschland gekommen, um von seinem Heimatland, der aktuellen politischen Lage und den Hilfsprojekten zu berichten, die er im Namen von Future 4 Kids und STELP vor Ort betreut.

 

 

“Die Zivilisten leiden am meisten unter dem Krieg.“

 
 
 

Wie dringend notwendig diese Projekte sind, war uns schon seit Beginn unserer Partnerschaft bewusst. Aber die Geschichten und Bilder, die Mohammed mit uns an diesem Abend teilt, machen uns sprachlos. Während wir in Sicherheit und bei einer großzügigen Auswahl an Essen beisammen sitzen, erzählt er uns von einem Schulbus mit mehr als 50 Kindern zwischen 6 und 12 Jahren, der inmitten eines Marktes aus der Luft bombardiert wurde. Er erzählt von tausenden ziviler Opfer, die der Krieg in seinem Land jährlich fordert – ohne, dass ein wirklicher Grund für solche Gräueltaten noch ein Ende des Krieges ersichtlich wird. Mohammed berichtet  von den Vereinten Nationen und verschiedenen Hilfsorganisationen, die sich wegen der Sicherheitslage teilweise nicht mehr in die Flüchtlingslager außerhalb der Städte wagen. Dort herrschen katastrophale Zustände und es gibt weder Wasser noch genügend Nahrung. Und er erzählt uns von unzähligen Einzelschicksalen, die er tagtäglich erlebt — darunter viel zu viele Kinder, von denen im Jemen rund zwei Millionen an Hunger leiden, und das teilweise schon ihr ganzes Leben lang.

 

“Ich bin mir sicher, unsere Hilfe hat vielen Kinder das Leben gerettet“

 
 
 

Aber bei all dem Leid, das Mohammed in seiner Heimat erlebt und mit uns teilt, bleiben an diesem gemeinsamen Abend auch positive Erlebnisse und Momente der Menschlichkeit nicht aus. Es ist beeindruckend, wie viel Optimismus, Humor und Motivation er sich angesichts des Zustands seines Landes bewahren konnte. Nur durch seinen unermüdlichen Einsatz vor Ort und zahlreiche Spenden aus Deutschland können in mehreren Schulen in Sanaa täglich über 1.000 Kinder mit einer gesunden und warmen Mahlzeit versorgt werden. Früher kam es nicht selten vor, dass Kinder während des Unterrichts aufgrund von Schwäche und Mangelernährung ohnmächtig wurden. Einzelnen Kinder hätte das Schicksal vermutlich noch tragischer zugespielt, was uns Mohammed mit einem sehr eindrücklichen Satz an diesem Abend bewusst macht: „Ich bin mir sicher: Unsere Hilfe hat vielen Kinder das Leben gerettet“.

 

 

“Wir alle können etwas tun, zumindest etwas.“

 
 
 

„Wir alle können etwas tun, zumindest etwas.“ Diese klare Aufforderung füllt einen Tag später das Hauptquartier von ARTHELPS im Stuttgarter Ostern. Dort findet am Tag nach unserem gemeinsamen Abendessen ein Vortrag über die Lage im Jemen statt, organisiert von Future 4 Kids. Zu Gast ist neben Mohammed auch ARD-Korrespondent Thomas Aders — beide kennen sich durch ihre langjährige Zusammenarbeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Aders war über mehrere Jahre hinweg Korrespondent für den arabischen Raum und schaffte es unter anderem, nach vier Jahren andauernden Bemühungen ein Exklusivinterview mit dem syrischen Machthaber Assad zu führen.

Trotzdem beginnt Aders seinen Vortrag mit der Aussage, dass ihn in seiner Karriere, in denen er aus zahllosen Ländern berichtet hat, weniges stolzer gemacht hat, als bei der Realisierung unseres gemeinsamen Hilfsprojektes in Sanaa beteiligt gewesen zu sein. Und wenn man seinen anschließenden Ausführungen über die hoffnungslos verstrickten Machtinteressen der Kriegsparteien und den internationalen Großmächten im Jemen folgt, die kaum auf ein baldiges Ende des Kriegs hoffen lassen, bekommt man ein Gefühl dafür, warum er das sagt: Auch wenn Sanaa inzwischen eine dreitägige Reise entfernt liegt und es nicht in unserer Macht scheint, den Krieg beenden zu können, so zeigt die Arbeit vor Ort, die Mohammed nach seiner Rückkehr wieder aufnehmen wird, doch genau das, was ein Gast nach dem Vortrag in die nach Lösungen suchende Runde sagt: „Wir alle können etwas tun, zumindest etwas. Und wenn es nur 5 € im Monat sind.“ 

Der Besuch von Mohammed hat uns wieder eindrücklich gezeigt: Die Spenden, und seien sie noch so gering, kommen an — und sie retten Leben, jeden Tag aufs Neue.

 

Bild: Markus Schwarz

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